2004 - 3. Quartal

aus: Nautilus Abenteuer & Phantastik, Nummer 24

Phantastische Buch-Highlights im dritten Quartal 2004
Kino im Kopf
Eine Auswahl aus aktuellen und kommenden Büchern

Auch wenn man es im brütend warmen Spätsommer kaum glauben mag: Der Herbst naht, und mit ihm zwei große Events für den Phantastik-Begeisterten: die Essener SPIEL und die Frankfurter Buchmesse. Gerade auf letztere steuern, so scheint es, die Programmplaner in den Verlagen noch verzweifelter zu als selbst auf das Weihnachtsgeschäft. Hier entscheidet sich, wem die Presse die größte Aufmerksamkeit schenken wird; und es zeigt sich, wer es geschafft hat, das beste (Autoren-) Pferd in den eigenen Stall zu holen oder die Aufsehen erregendste Neuerscheinung, den vielversprechendsten Jungautoren oder den schillerndsten Skandaltitel zu präsentieren. Selbstverständlich sind auch Größe und Aufmachung des Standes ein nicht zu unterschätzendes Statussymbol, das Konkurrenz und Besuchern gleichermaßen zeigt, wer der »größte Fisch im Verlagsteich« ist.

Für den Leser aber bringt all diese Aufregung vor allem eines mit sich: Viele spannende Neuerscheinungen, auf die er sich freuen kann. Selbst dann, wenn einigen von diesen Novitäten - wie jedes Jahr zur Messezeit - ein paar zusätzliche Monate Produktionszeit besser bekommen wären. Aber wir wollen nicht kleinlich sein und stürzen uns lieber mit Begeisterung und Entdeckerfreude in die randvolle Novitätenkiste.

Einzeltitel

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, und erfolgreiche Buchtitel ziehen andere an. Auf Die Orks (Stan Nicholls, Heyne) folgte Die Zwerge (Markus Heitz, Heyne). Weiter geht es mit - Die Elfen, und zwar bei Heyne im Oktober - zur Buchmesse eben. An anderer Stelle der NAUTILUS erzählt Bernhard Hennen selbst etwas über sein neuestes Projekt, das - in einem ansprechenden Grünton gehalten - der Covergestaltung der »Vorbände« treu bleibt. Doch damit nicht genug. Denn auf einen Bucherfolg folgt - richtig: eine Fortsetzung. Der Krieg der Zwerge (Piper) heißt das neue Buch von Markus Heitz, das (ja, genau) zur Buchmesse erscheint. Wer es gar nicht erwarten kann, nutzt den besonderen Service des Autors, der auf seiner Homepage (http://www.mahet.de) bereits den vorläufigen Prolog des Buches Online gestellt hat. Mehr von Markus Heitz? Ulldart-Fans können sich freuen: Die Reihe wird fortgesetzt. Ulldart - Zeit des Neuen erscheint im Oktober 2005; alle anderen Ulldart-Romane werden bei Piper neu aufgelegt.

Bereits seit August liegt Das Zauberhaus (Piper) von Peter S. Beagle in den Buchregalen. Wer Das letzte Einhorn geliebt hat, den wird auch das neue Buch des Autors fesseln. Jenny und ihre Katze mit dem reizenden Namen Herr Kater folgt ihrer Mutter notgedrungen in das Haus ihres neuen Stiefvaters. Dort lernt sie Tamsin kennen. Doch diese ist kein normales Mädchen sondern ein Geist, der seit über 300 Jahren keine Ruhe findet. Jenny versucht, zu helfen. Ein dichtes, stimmungsvolles Buch über die Macht des Bösen und die Kraft des Guten.

Lust auf eine Reise ins 18. Jahrhundert und einen Besuch beim Loch Ness und seinem Bewohner? Mit Der wundersame Dr. Darwin (Lübbe) zeigt Charles Sheffield seinen Lesern im September, dass das Prinzip »Survival of the fittest« schon für Charles’ Großvater Erasmus, seines Zeichens Heiler und Erforscher alles Bizarren, Gültigkeit hatte. Willkommen auf einer unterhaltsamen Odyssee voller Rätsel und überraschender Wendungen.

Kommen wir nun zu Nico. Dieser ist der Sohn eines Uhrmachers, und er hat ein besonderes Talent: Er kann mit Maschinen sprechen; sie besänftigen, in ihrem Gedächtnis lesen. Ein reicher Geschäftsmann aber weigert sich, den Preis für eine der in Auftrag gegebenen Uhren zu zahlen. Statt dessen lässt er Nicos Vater ermorden, der ihn im Tode verflucht: sein Leben solle an die Uhr gekettet ein, die er für ihn fertigte - so unstet, so zerbrechlich solle es sein, und enden, wenn die Uhr einst stehenbliebe. Der junge Nico flieht nach dem Mord aus der Stadt. Als junger Mann kehrt er zurück. Sein Ziel: Rache. Mit Der Herr der Unruhe (Ehrenwirth) legt Ralf Isau, nicht nur für seine Jugendbücher bei Thienemann sondern auch als Autor im Projekt Legenden von Phantásien (siehe unten) bekannt, im September seinen zweiten, vielversprechenden Roman »für Erwachsene« vor.

»Phantastisches« der ganz anderen Art bietet Arto Paasilinna im September mit Im Jenseits ist die Hölle los (edition Lübbe). Der Finne, bekannt als Spezialist für Komik der etwas »abgedrehteren« Richtung, lässt keine Sünde ungestraft. Kaum schaut sein Protagonist, ein junger Journalist, beim Überqueren der Straße einer jungen Frau hinterher, wird er auch schon von einem Auto überfahren und ist mausetot. Doch als Geist ist die Welt zwar gewöhnungsbedürftig aber auch sehr unterhaltsam, und so schließt der frisch Verstorbene nicht nur Freundschaft mit Papst Pius IX. sondern trifft auch Jesus - live und in Farbe. Dummerweise sind selbst Geister nicht unsterblich ?

Neues zu Monika Feltens Crossover-Projekt Die Nebelsängerin (Piper; mit Soundtrack zum Buch) findet sich an anderer Stelle der NAUTILUS. Einen weiteren Werbeschwerpunkt setzt der Verlag auf Freya Gräfin von Korffs Fantasy-Märchen Jenseits der Zauberweiden. Die heute 16-jährige schrieb, so heißt es, die Geschichte im zarten Alter von 12. Die Story: Ein Waisenkind macht sich mit einem geflügelten Hengst und einem zum Leben erwachten Wasserspeier auf den Weg, um einen magischen Stein vor den Mächten des Bösen zu retten. Korff veröffentlichte bereits im Sommer 2002 im Eigenverlag den Titel »Sally Virkahn. Der Stein von Numbore«, ehe sie von Piper entdeckt wurde. Ob das Debut des hübschen Wunderkinds, das parallel zu seinem Highschool-Abschluss bereits an seinem dritten Roman arbeitet, über den reinen Werbeaufhänger hinaus überzeugen kann, wird sich zeigen müssen.

Wer den Carlsen-Verlag kennt, der weiß, dass Jugendbücher aus dem Programm des Hamburger Verlagshauses oft auch für »ausgewachsene« Phantastik-Liebhaber ein Grund zur Freude sind. Ein solcher Schatz ist der November-Titel Das eiserne Herz von Philip Pullmann, der die Geschichte eines Uhrmachergesellen erzählt. Dessen Gesellenstück soll das Glockenspiel der Stadt zieren; doch am Vorabend des großen Tages ist das Werk noch nicht vollbracht. Da kommt ein Fremder des Wegs und gibt ihm die eiserne Figur eines Ritters. Diese aber entwickelt im Glockenspiel ein Eigenleben. Schaurig-schöne Fantasy mit märchenhaftem Flair.
Serien

Die Autoren der Gezeitenwelt, neuerdings unter dem gemeinsamen »Decknamen« Magus Magellan bekannt, liefern im September ihr neustes Meisterstück ab. Mit Traumbeben (Piper) erzählt Karl-Heinz Witzko die Geschichte einer jungen Tagelöhnerin. Wer Witzkos Romane für Das Schwarze Auge kennt, wird seinen skurrilen Humor bereits zu schätzen wissen - und alle anderen sollten spätestens jetzt die Chance nutzen, ihn kennenzulernen. Jeder Roman der Gezeitenwelt ist in sich abgeschlossen, und so nimmt Traumbeben auch dann von der ersten Seite an gefangen, wenn man die Vorläufer der Reihe noch nicht verschlungen hat.

Begeisterte Runner dürfen sich in den kommenden Monaten auf etliche neue Titel freuen. Angekündigt für Shadowrun ist im September Im Namen des Herrn (FanPro) von André Wiesler, der sich mit der interessanten Frage auseinandersetzt: Was geschieht eigentlich, wenn der ominöse Auftraggeber Herr Schmidt von den Runnern enttarnt wird?

Mit Thornräuber von Alexander Lohmann (FanPro) folgt nach langer Pause auch wieder einmal ein Myranor-Roman, der in Neanikis spielt und die Geschichte einer Magierin erzählt, die nach langen Jahren in ihre Heimatstadt zurückkehrt. Doch dort ist nichts, wie sie es verlassen hat, und sie selbst findet sich schnell in einem Strudel aus Verrat und Intrige wieder.
Anthologien

Das Rollenspiel Das Schwarze Auge feiert sein 20-jähriges Bestehen - Grund genug für FanPro, eine Anthologie herauszugeben, in der sich Kurzgeschichten von Autoren wie Thomas Finn, Lena Falkenhagen oder Hadmar von Wieser ebenso finden wie Hintergrundinformationen und ein reichhaltiger und unterhaltsamer Rückblick rund um die Geschichte und Entwicklung des auflagenstärksten deutschen Rollenspiels. Bernhard Hennen liefert das Vorwort zum Jubiläumsband, der im Herbst unter dem Namen Magische Zeiten erscheint und von Momo Evers zusammengestellt wurde.

Mit Tolkiens Geschöpfe (Piper) lässt der November das Herz der Phantastik-Gemeinde höher schlagen. Franz Rottensteiner und Erik Simon haben einen bunten Strauß von Geschichten rund um Orks, Zwerge, Drachen und andere phantastische Wesen gesammelt. Mit an Bord der Anthologie sind Autoren wie Ursula K. LeGuin, Neil Gaiman, Marion Zimmer Bradley, George R. R. Martin oder Markus Heitz.
Reihen

Im September hat das Warten für Fans des Weltenbaum-Zyklus’ ein Ende: Der lang erwartete Abschluss der Saga von Faraday, Aschure und Axis erscheint im Piper-Verlag. Mit Die Göttin des Sternentanzes liefert die Australierin Sara Douglass einen dramatischen Abschluss ihres Zyklus’ Unter dem Weltenbaum. An erzählerischer Geschwindigkeit lässt das Werk keine Wünsche offen, und auch die Figurenführung hat im Vergleich zum fünften Band erneut gewonnen.

Mit Kampf der Kreaturen (Blanvalet) kommt im November der zweite Teil von »Die Rückkehr des Dunkelelf« von R. A. Salvatore in den Buchhandel. Nach der ersten großen Schlacht gegen die Orks begibt sich Drizzt Do’Urden auf einen einsamen Rachefeldzug - ein Muss für Fans des weißhaarigen Dunkelelfen.

Der Oktober bringt Neues vom Vampire-Spezialisten Brian Lumley. Mit Blutsbrüder (Festa-Verlag) geht Necroscope in eine neue Runde. Wen es nach »noch mehr Vampir« gelüstet, der schreibt gleich noch Der Vampir in Legende, Kunst und Wirklichkeit (selber Verlag, selber Erscheinungstermin) von Basil Copper mit auf seinen Einkaufszettel. Denn dort erfährt man wirklich alles rund um die »Kinder der Nacht« - von literarischen Figuren über die filmische Umsetzung der Blutsauger bis hin zu jenen bedauernswerten Mördern der Kriminalgeschichte, die sich für »wirkliche« Vampire hielten - oder doch zumindest auf diese Weise töteten.

Im November gibt es neues Futter für Drachen-Liebhaber. Mit Herrscher der Lüfte (Blanvalet) erscheint der erste Teil der Reihe Die Drachenkrieger von Chris Bunch. Der Bauernjunge Hal träumt davon, ein Held zu sein. Er schließt sich einem Drachenreiter an, der seine Künste auf Jahrmärkten vorführt. Doch das Idyll währt nicht lang: Ein Krieg bricht aus, und ob Hal wirklich das Zeug zum Helden hat, muss er nun beweisen. Leichte, unterhaltsame Lektüre.

Wem wieder einmal der Sinn nach einer Reihe im Jugendbuch-Bereich steht und wer überdies liebevolle Charaktere schätzt, dem können Peter Freunds Romane um die junge Laura Leander besten Gewissens empfohlen werden. Auch in Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx (Ehrenwirth) kämpft die dreizehn-jährige Heldin mit ihren übermenschlichen Fähigkeiten erneut gegen das Böse - den mächtigen Fürsten Borboron. (An alle DSA-Spieler: Nein, nicht Borbarad, Borboron. Schurken erkennt man eben schon am Namen.) Auch »Erwachsene« werden an den Büchern der Laura-Reihe ihre helle Freude haben, denn Freund würzt seine Bücher auf amüsante Art und Weise mit bewussten Anleihen von der Brautprinzessin über Tolkiens Herr der Ringe bis hin zu Harry Potter - und schafft es doch, mit seinem eigenen Stil zu fesseln und zu bezaubern. Wem das »Orakel« gefällt, der kann gleich weiter lesen: Band 1 und 2 tragen die Namen Laura und das Geheimnis von Aventerra sowie Laura und das Siegel der Sieben Monde. Auch die von Anne Moll gelesenen Buch-CDs (LübbeAudio), die stets zeitgleich zu den Büchern erscheinen, sind eine Investition wert.
Und sonst?

Apropos Audio-CD: Gleichfalls bei LübbeAudio erscheint im September die Vertonung des wundervollen Werkes Der Vampyr von Lord Byron/John William Polidori, gelesen von Andreas Fröhlich. Die Geschichte von Lord Byron und John William Polidori, seinem Leibarzt, ist in Buchform derzeit lediglich in Sammelbänden lieferbar, was über die Maßen bedauerlich und ein Grund mehr ist, sich diesen Klassiker vorlesen zu lassen. Im Juni 1816 treffen sich Lord Byron, Percy Shelley, seine Geliebte Mary, deren Stiefschwester Claire Clairmont und Polidori am Genfer See, um sich gegenseitig Gruselgeschichten zu erzählen. Hernach soll ein jeder von ihnen eine Geschichte schreiben. Hier, so Polidori, sei Frankenstein entstanden - aber auch sein eigenes Werk, Der Vampyr. Denn ein solcher sei es gewesen, der ihn in seiner Kammer aufsuchte und dessen Ruf ihm zum Verhängnis werden sollte.

Zuletzt noch ein augenzwinkerndes Leckerli: Nach zuviel Splatter und Dark Fantasy erste Paranoia-Erscheinungen festgestellt? Zu lange Vampire gespielt? Der Zombie Survival Guide von Max Brooks (Goldmann) erscheint im November. Alles über das Überleben unter Untoten - von zombiesicherem Wohnen über die besten Abwehrtechniken bis hin zu den besten Waffen gegen sie - hilfreiche Illustrationen inklusive. Der ultimative Ratgeber für wahre Helden!

Wer noch immer nicht genug Lesestoff hat, der fährt im Oktober nach Frankfurt und stürzt sich selbst in die Novitäten-Flut. In diesem Sinne, Vielleser: Wir sehen uns!

Momo Evers

- Kurzrezensionen für eilige Leser -
Die vergessenen Götter

Gesellschaftsroman im phantastischen Gewand

Odin hat sein ewig gleiches Leben satt. In Asgard ist es schon lange öd und lehr, die Asen sind verschwunden, in Walhall langweilen sich die Geister der alten Kämpen bei Met und Eberfleisch. Nur seine beiden Raben Hugin und Munin sowie sein achtbeiniges Pferd Sleipnir haben ihm noch die Treue gehalten. Kurz bevor auch sein göttlicher Hochsitz endgültig zusammenbricht, kommt Hugin und Munin eine wahrhaft verwegene Idee - und tatsächlich bricht Odin ein letztes Mal zu den Menschen auf. Sein Plan ist gewagt, aber sein Charme ungebrochen, und Ariane, eine herzerfrischend menschliche Kölner Sekretärin, verliebt sich in den charismatischen Mann mit der Augenklappe, auch wenn dieser ein gehöriges Problem mit seiner Persönlichkeit zu haben scheint. Immerhin behauptet er steif und fest, ein Gott zu sein. Als sie ihm schließlich glaubt, legt der Gang der Geschichte noch um einen weiteren Zahn zu. Ariane hilft einem Geist dabei, die Liebe seines Lebens wiederzufinden, stattet der Weltenesche Yggdrasilr einen Besuch ab und erweckt in einem Gott die Liebe zu Marmeladenbrot. Das Leben könnte herrlich sein - wenn da nicht Loki, jener ewige Ruhestörer unter den Asen, wäre. Mit wirtschaftlicher Bravur und Effizienz hatte er sich schon früh aus Asgard »abgeseilt«, schmeißt heute gemeinsam mit Hela die Hölle und verfolgt - wie immer - seine eigenen Pläne. Und diese zeugen nicht gerade von Friede, Freude und Happy End. Doch auch der charmante Odin weiß recht genau, was er will. Ob Ariane am Ende die Liebe ihres Lebens findet, Odin durch ihre Hand stirbt oder auf einem Friedhof in Selbstmitleid zerfließt wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Auch die Frage, warum ausgerechnet der unsympathische Bernd Arianes Satinbettwäsche durchschwitzt oder was ein Philosophieprofessor mit all dem zu tun hat, kann hier leider nicht beantwortet werden. Da hilft nur: Selber lesen.

Anette Schaumlöffels Debut ist ein herrlicher Gesellschaftsroman im Fantasy-Pelz. Mit leichter Hand, facettenreichen Charakteren, viel Humor und einem erfrischenden Blick für Details ist ihr ein Roman gelungen, der sich vor anderen »Fantasy-Gegenwarts-Crossovers« des Genres wie etwa Matt Ruffs Fool on the Hill oder Bernhard Hennens Nebenan nicht im Geringsten zu verstecken braucht. Der einzige Wehrmutstropfen ist das Cover, das einmal mehr in schreiend bunter Fantasy-Manier daher kommt. Inhaltlich aber ist Die vergessenen Götter genau das richtige für einen Tag im Schwimmbad, eine lange Bahnfahrt oder eine wohlig durchlesene Sommernacht.

© Momo Evers

Errata
Heyne Fantasy goes Piper Fantasy

Wie ja bereits seit einiger Zeit bekannt, ist die Reihe Heyne-Fantasy zum Piper Verlag gewandert. So kam es, dass bei vielen Titeln lange Zeit unklar blieb, ob sie noch bei Heyne, bereits bei Piper oder am Ende überhaupt nicht mehr erscheinen würden. Einem quartalsweise erscheinenden Magazin wie der NAUTILUS blieb insofern nur, sich nach dem Stand der Dinge zu richten, wie er sich zu Redaktionsschluss darstellte. Dennoch kam letzten Endes vieles doch anders als auch von Verlagsseite aus erwartet, so dass sich nun rückwirkend einige Angaben der letzten NAUTILUS (Heyne-Erscheinungstermine betreffend) als falsch erwiesen haben. Zuerst einmal eine Beruhigung für jene Leser, die Hände ringend auf den Abschluss des Zyklus’ Düsterer Ruhm von Michael A. Stackpole warten: Der große Kreuzzug erscheint im November, für Die Macht der Drachenkrone braucht man noch ein wenig Geduld bis zum Januar 2005. Einige weitere grundsätzliche Änderungen in Kürze: Die DSA-Romanreihe wandert auf Wunsch von FanPro nicht zu Piper, sondern wird fortan im Mutterhaus von DSA fortgesetzt. Allein die Reihe um Rhiana die Amazone verbleibt bei Piper. Weiterhin fortgesetzt beziehungsweise sukzessive nachgedruckt werden im Laufe dieses und des nächsten Jahres Reihen wie Das Rad der Zeit (Robert Gordon), die Rhapsody-Saga (Elisabeth Haydon), das Zeitalter der Wandlung (Markolf Hoffmann), die Abenteuer von Grotan und Felix aus der Warhammer-Reihe (William King) die Ulldart-Saga (Markus Heitz) sowie der Erdsee-Zyklus (Ursula K. Le Guin). Die in der letzten NAUTILUS angekündigte Kurzgeschichtensammlung Legenden (Robert Silverberg) erscheint im Frühjahr 2005 im Hardcover, wohingegen Der Froschprinz nicht in das Verlagsprogramm aufgenommen wurde, voraussichtlich aber gegen einen anderen Titel von John Moore ausgetauscht werden wird.

Heyne selbst veröffentlicht Fantasy-Titel bis auf Weiteres nur noch im Rahmen seines »normalen« Belletristik-Programmes.

© Momo Evers

Fantasy-Zyklen unter der Lupe
Robin Hobbs Weitseher-Zyklus

Liebevolle Charaktere und fremdartige Magie

Zugegeben, wirklich neu ist die Idee der Trilogie Die Legende vom Weitseher von Robin Hobb alias Megan Lindholm (Bastei) nicht: Der junge Fitz, Bastard des Kronprinzen und dessen größte Schande, wächst von allen verachtet auf der Bockburg auf. Wider Willen wird er zum Assassinen des Königs ausgebildet und verstrickt sich immer mehr in die Kabalen und Intrigen am Hof. Als die Sechs Provinzen durch die barbarischen Outislander bedroht werden, liegt das Schicksal des Reiches bald in seiner Hand, und gemeinsam mit dem prophetischen Narren, dem jungen König Veritas und dem Wolf Nachtauge, seinem Seelenbruder, nimmt Fitz den Kampf auf. Kurz: Gut gegen Böse und ein Held voller Selbstzweifel.

Der Plot selbst ist sehr geradlinig und teilweise vorhersehbar, was aber der Spannung keinen Abbruch tut: Robin Hobbs Stärke ist die Psychologie.

Die Charaktere, die sie in ihre märchenhafte, etwas düstere Welt setzt, sind tiefgründig; sie haben Ecken und Kanten, erleben Hoffnung und Enttäuschung, wie es normale Menschen tun, und oft sitzt man schmunzelnd vor dem Buch und wünscht sich, diese Personen wirklich kennen lernen zu können. Das beste Beispiel dafür ist die Hauptfigur Fitz, ein echter Antiheld, der jammert, sich betrinkt, immer wieder in Situationen gerät, in die er nie kommen wollte, und der dem Leser bald ein guter Freund wird. Dass die Trilogie durchgehend aus seiner Perspektive geschrieben ist, schadet den Nebencharakteren nicht im Geringsten.

Des weiteren besticht Robin Hobb mit einem ausdruckstarken, lebendigen Schreibstil, der den Leser in die Szenerie eintauchen lässt, ohne ihm ein festes Bild aufzuzwingen.

Auch Hobbs Darstellung der Magie ist reizvoll: Statt komplizierter Formeln und Zauberstabschwingerei existieren zwei Arten von telepathischen Fähigkeiten. Zum einen die »Gabe«, mittels der man mit Menschen kommunizieren und sie lenken, aber auch bekämpfen kann. Zum anderen eine alte Volksmagie, die eine innige Verbindung zu Tieren ermöglicht und die verpönt und gefürchtet ist, weil der Anwender langsam selbst zum Tier wird. Fitz ist beider mächtig ...

Fazit: Trotz einiger interessanter Seeschlachten ist diese Reihe nicht gerade für Action-Fans geeignet. Wer aber intensiven Kontakt mit den Hauptfiguren liebt und mit ihnen lachen und weinen will, den wird die Serie bis zum letzten Wort fesseln. Und für alle, die nicht genug bekommen können, erscheint derzeit eine Fortsetzungstrilogie, deren ersten beiden Bände Der lohfarbene Mann und Der goldene Narr bereits auf Deutsch erhältlich sind (ebenfalls Bastei Lübbe). Hier werden lose Enden aufgefangen und weitergesponnen, und wieder ist es an Fitz und seinem Freund, dem Narren, sich durch den Intrigendschungel zu schlagen und alles zum Guten zu wenden.

© Melanie Schraa

Kelten, Römer, Mittelalter
Historienromane im Herbst

Wer Fantasy liebt, ist oft auch ein Freund des historischen Romans. Ein kurzer Abstecher in die Welt der Vergangenheit:

Das Buch von Eden (Gustav Lübbe Verlag, erscheint im September), der Name des neuen Werkes von Kai Meyer, erzählt die Geschichte von Albertus Magnus, der Nonne Favola, dem Mönch Aelvin und einem ganz besonderen Kraut: dem sagenumwobenen »Lumina«, das aus dem Garten Eden selbst stammen und - richtig eingesetzt - über die Macht verfügen soll, den Garten Eden selbst auf Erden wieder entstehen zu lassen. Auf der Flucht vor anderen, die ihren Plan vereiteln wollen, treibt es die Gruppe vom winterlichen Europa des Mittelalters bis in den Orient von Tausendundeiner Nacht.

Es ist das Jahr 1531, in dem die junge Katerine mit einer Gauklertruppe nach Köln zieht, um ihren Vater zu finden. Ihr Weg soll sie bis an den Hof des Kaisers führen. Doch über dem jungen Mädchen scheint ein Fluch zu liegen: Wo auch immer sie auftaucht, sterben Menschen. Der facettenreiche Renaissance-Roman Tanz der Dämonen (Ehrenwirth) von Uwe Westfehling erscheint im September.

Anita, Rose und Cilly, Töchter eines berühmten Schlagersängers mit dem klingenden Namen Caesar King, lernen einander erst nach dem Tod ihres umtriebigen Vaters kennen. Dieser trällerte nicht nur Schnulzen sondern erzählte auch gern Geschichten - besonders solche über Ringe. Bereits im November des vergangenen Jahres erschien Der Siegelring, und mit Der Bernsteinring (August) und Der Lilienring (November) findet die Ring-Trilogie von Andrea Schacht (Blanvalet) ihren Abschluss. Auf unterhaltsame Art und Weise verwebt die deutsche Autorin die Geschichte der drei Schwestern in der Gegenwart mit der der drei Ringe und schlägt so in ihrem Frauenromanen die Brücke zu Römerzeit, mittelalterlichem Köln und beginnendem 19. Jahrhundert.

© Momo Evers