Verdrängung kleiner Sortimenter: Thalia fordert von Verlagen Bargeld gegen gute Titelpositionierung

Ob ein Buch günstig (sprich: auffällig und publikumswirksam) im Buchhandel positioniert wird oder überhaupt in den Bestand eines Buchhandels aufgenommen wird oder nicht, ist mancherorts nicht zuletzt auch eine Frage des Geldes. Mit Sonderkonditionen, Rabatten, Boni und Werbezuschüssen bedenken die Verlage ihre Buchhändler schon seit langer Zeit, und selbstverständlich beschäftigen die Verlage Vertreter, die von Buchhandlung zu Buchhandlung ziehen, um das neue und teils auch alte Programm des Verlages vorzustellen und im Idealfall möglichst optimal in der Buchhandlung zu positionieren.

Große Buchhandelsketten erscheinen hier natürlich als ein besonders günstiger Partner, denn zum einen werden sie zu Teilen “gesamtbestückt” (sprich: der Vertreter bringt nicht nur wenige Titel an den Mann / die Frau / den Buchhändler, sondern gleich einen ganzen Schwung unter), und zum anderen haben große Ketten oft absatzstarke Flyer, Newsletter oder eigene Werbemagazine, in denen sie ihrer Kundschaft Bücher vorstellen und empfehlen.
Und somit haben gerade große Buchhandelsketten natürlich auch eine besondere Bedeutung für die Verlage - und dieser sind sie sich durchaus bewußt.

Die zur Douglas Holding gehörende Thalia-Kette (thalia.de) nun hat sich vor der Frankfurter Buchmesse ? Berichten in der WELT und in Buchmarkt zur Folge ? überlegt, wie aus ihrer Stellung noch etwas mehr Profit zu schlagen sein könnte. Thalias Abteilung Einkauf nämlich bietet den Verlagen ein “besonderes Schnäppchen” an: Für gute Positionierung in den Filialen und zentrale Bewerbung in hauseigenen Magazinen und sonstige Vorzüge in der Behandlung der verlagseigenen Titel fordert man zum einen exklusiven Zugriff auf “Reste” (Verramschungen) und Veranstaltungen (Lesungen) sowie “Neueröffnungsprämien für neue Filialen und Zuschüsse für Umbauten und merkliche Rennovationen der Thalia-Buchhandelsfilialen?.
Im Klartext bedeutet das: Größere Verlage, so der Buchmarkt, sollen pro Thalia-Neueröffnung “1500 bis 5000 Euro” zuschießen, was “einem durchschnittlichen Quadratmeterzuschuß von 2,50 bis 4 Euro” und einem “siebenstelligen Zusatzbetrag” allein für 2006 entspräche.

Ob sich Verlage finden, die auf diese Forderungen eingehen, ist zwar noch nicht mit Sicherheit geklärt, aber unwahrscheinlich ist es nicht. Die WELT befürchtet, daß die Verlage so den “Strukturwandel im Buchhandel auch noch mitfinanzieren: Die großen Filialisten verdrängen die kleinen Sortimenter.” Der gesamte WELT-Artikel von Wieland Freund ist nachzulesen in der WELT Online.

Nicht vergessen werden sollte allerdings, daß dies nur ein kleiner Schritt in einem großen Entwicklungsprozeß ist. Wer vor allem die kleinen Sortimenter verdrängt, ist der Buchliebhaber selbst. Jener nämlich, der immer schnurstracks in die große Buchhandelskette geht oder ohne nachzudenken die großen Online-Versandhäuser anklickt, um seine Buchbestellungen ein- und aufzugeben.
Ohne Frage gibt es auch gute Buchhändler in großen Buchhandelsketten, und mit Sicherheit sind bei SCHATEN oder Thalia mehr Titel sofort vorrätig, als beim kleinen Sortimenter. Wer aber Schätze entdecken und eine wirklich gute und zeitintensive Beratung haben will, ist bei der Buchhandlung ums Eck meist doch besser aufgehoben. Und bei nahezu allen dieser kleinen Buchhandlungen kann man seine Titel ebenso gut Online erwerben, wie bei den großen Online-Kaufhäusern auch. Oder man ruft einfach an und läßt sich die Titel zusenden oder zurücklegen. Viel Aufwand ist das nicht - es erfordert lediglich ein klein wenig Umdenken und Verantwortungsbewußtsein. Und natürlich ist es auch nur für jene von Interesse, die die kleinen Buchhandlungen zu schätzen wissen und vermissen werden.
Wer sich aber zu dieser Gruppe zählt, sollte schnell Umdenken lernen - denn sonst hat sich das “Problem” mit den kleinen Buchhandlungen in einigen Jahren von allein erledigt - ob nun mit Thalia-Knebelverträgen oder ohne.

Natürlich ist den Verlagen klar, daß sie sich mit immer stärkeren Zugeständnissen an die großen Ketten langfristig ins eigene Fleisch schneiden. Denn je weiter die Monopolbildung bei den Sortimentern zunimmt, desto stärker ist die Position der großen Ketten bei den Rabattverhandlungen mit dem Verlag. Wo Preiskalkulationen bei neuen Titeln schon jetzt schwierig genug sind, wird es danach nicht leichter werden: Die Gewinnspanne der Verlage wird geringer, die Honorare der Produzenten in der Buchherstellungskette sinken, und wo die größeren Verlage den Gewinnverlust zunächst werden überbrücken können, werden die kleinen mit den Preisen weiter anziehen müssen. Und so sterben vielleicht langfristig nicht nur kleine Buchhandlungen sondern auch kleine Verlage und unlukrative Titelsegmente noch ein wenig schneller - sei es, weil die Verlage zu wenig Rabatte gewähren oder zu wenig Werbung finanzieren können oder weil es den kleinen Buchhändler, der sie aus Überzeugung und ohne Subventionierung empfiehlt, immer seltener geben wird.