Gedichte

Sonntag, 18. November 2007

Aufhebung (Erich Fried)

Aufhebung


Sein Unglück
ausatmen können


tief ausatmen
so dass man wieder
einatmen kann


Und vielleicht auch sein Unglück
sagen können
in Worten
in wirklichen Worten
die zusammenhängen
und Sinn haben
und die man selbst noch
verstehen kann
und die vielleicht sogar
irgendwer sonst versteht
oder verstehen könnte


Und weinen können


Das wäre
schon
fast
wieder

Glück



Erich Fried (1921-1988), österreichischer Lyriker, Übersetzer und Essayist jüdischer Herkunft

18. November 2007 um 03:07 Uhr
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Mittwoch, 24. Oktober 2007

Nicht alle Schmerzen sind heilbar

Nicht alle Schmerzen sind heilbar,
denn manche
schleichen sich tiefer und tiefer ins Herz hinein,
und während Tage und Jahre verstreichen,
werden sie
Stein.

Du sprichst und lachst, wie wenn nichts wäre,
sie scheinen zerronnen wie Schaum.
doch du
spürst ihre lastende Schwere
bis in den Traum.

Der Frühling kommt wieder
mit Wärme und Helle,
die Welt wird ein Blütenmeer.
Aber
in meinem Herzen
ist eine Stelle,

da blüht nichts mehr.

Ricarda Huch (1864-1947; Pseudonym: Richard Hugo), deutsche Dichterin, Philosophin und Historikerin

24. Oktober 2007 um 08:55 Uhr
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Donnerstag, 15. März 2007

Ad Infinitum

Alle die fortgehen
Durch die Glastür aufs Rollfeld
Durch die Bahnhofssperre
Die sich umdrehen, winken
Deren Blicke zu Boden sinken
Deren Gestalten
Langsam undeutlich werden

Alle sind du.

Du steht bei mir
Wendest dich ab
Gehst fort
Wirst kleiner und kleiner

Seit wann

Seit der Tod mir am Halse hing
Mir die Kehle zudrückte
Stehst Du immer wieder bei mir
Wendest dich ab
Gehst fort

Den Bahnsteig entlang
Rollfeldüber
Wirst kleiner und kleiner

Stehst da
Wendest dich ab
Gehst -

Marie Luise (Freifrau von ) Kaschnitz(-Weinberg) (1901-1974), deutsche Lyrikerin und Autorin

15. März 2007 um 05:02 Uhr
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Freitag, 16. Februar 2007

So fern und doch so nah

So fern und doch so nah,
wie sich das weite Meer
und der endlose Himmel sind,
wenn sie am Horizont
ineinanderzufließen scheinen,

so eng verbunden
und doch so weit entfernt
sind Diesseits und Jenseits,
sichtbare und unsichtbare Welt.

So fern und doch so nah
Sind die Menschen,
die uns verlassen mußten
und doch immer zu uns gehören.

Irmgard Erath, Autorin

16. Februar 2007 um 04:56 Uhr
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Mittwoch, 31. Januar 2007

Selten ist ein Weg ...

Selten ist ein Weg von Anfang bis Ende immer sichtbar
Oft sehen wir nur den nächsten Schritt.
Vielleicht würden wir sonst überwältigt sein von dem, was vor uns liegt.

Unser Kurzsichtigkeit ist auch eine Gnade.
So wird unsere ganze Kraft frei für den nächsten Schritt,
für eine Aufgabe der Stunde und des Tages.

Wir konzentrieren uns auf den Moment, der zu bewältigen ist,
auf den Augenblick, der so viele Möglichkeiten in sich birgt,
auf die Verwandlung des Schweren ins Leichte,
auf das gefüllte Wort und die Bedeutung eines einzigen Blicks.

Und am Ende des Tages, des Jahres,
am Ende eines Lebensabschnitts,
und am Ende des ganzen Lebens
bilden die vielen Schritte einen unnachahmlichen Weg,
der nur unseren Namen tragen konnte.

Ulrich Schaffer (*1942), Schriftsteller und Photograph

31. Januar 2007 um 04:50 Uhr
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