Studienabbruch: Top oder Flop?

Unlust, mangelnde Motivation, Entwicklung von Campus-Vermeidungsstrategien? Wer über einen Studienabbruch nachdenkt, tut sich meist schwer damit. Abbruch oder nicht? Die Entscheidung muß stets individuell gefällt ? und sollte in keinem Fall verschleppt werden ...

Hohe Fluktuation an deutschen Hochschulen

Keine Lust mehr, zu studieren aber Angst davor, das Studium hinzuwerfen? Jeder dritte Studierende in Deutschland, so die Schätzung der Hochschulforscher, bricht sein Studium ohne Abschluß ab oder wechselt das Studienfach. Trotz verstärkter Studienberatungsaktivitäten an deutschen Hochschulen vervierfachte sich die Studienabbrecherquote seit Mitte der 70er Jahre ? allerdings stieg parallel auch die Zahl der Studierenden selbst an. Fest steht: Ein Studienabbruch ist nicht immer ein Knock-Out-Kriterium für die Karriere ? er ist allerdings auch nicht immer notwendig.

Es gibt tausend gute Gründe ...

Die Gründe für einen Studienabbruch sind mannigfaltig: Lustlosigkeit, Unfähigkeit zur Prüfungsvorbereitung, Studienbedingungen, Geld oder Kindererziehung bringen den angehenden Akademiker zur Kapitulation, so eine Studie des Hochschul- Informations-Systems (HIS) in Hannover. Doch nicht immer muß es gleich ein Studienabbruch sein. Manchmal reicht auch ein Studienfachwechsel. Doch Vorsicht: wer das Studienfach wechselt und BaföG bezieht, muß dies dem BaföG-Amt begründen. Ein Wechsel gilt (außer bei reiner Schwerpunktverlagerung) als Abbruch. Man sollte sich diesbezüglich in jedem Fall beim AsTA beraten lassen.

Von der einlullenden Sicherheit des Studentenstatus

Viele Studierende aber verschleppen die Entscheidung und flüchten sich in Nebenjobs unter dem sicheren ? und finanziell recht günstigen - Mantel des Studentenstatus. Und so ziehen die Jahre ins Land. Mit 30 stellt man plötzlich fest, daß alle anderen aus dem Bekanntenkreis mittlerweile einen Abschluß haben ? und man selbst weder dies noch eine alternative Ausbildung. »Wichtig ist es«, so Prof. Dr. Hans-Dieter Rinkens, Präsident des deutschen Studentenwerkes (DSW), »die Studienzeit verlängernde Erwerbstätigkeit zu vermeiden und statt dessen rechtzeitig zu helfen, damit der Abschluß gelingt, zum Beispiel durch Abschlußförderungen.« Allerdings: ein Nebenjob ist nicht immer schlecht fürs Studium. Wer schlau agiert, kann sich Praxiswissen zum Studienfach aneignen und so Weichen für die Zukunft stellen.

Definieren Sie Frust chronisch oder temporär?

»Der Schlüssel zum Durchhalten ist die eigene Selbsteinschätzung«, so Professor Andreas Gold vom Frankfurter Institut für psychologische Pädagogik. Bevor man aber die Flinte ins Korn wirft, sollte man erst einmal eine Situationsanalyse durchführen: Warum habe ich dieses Studium gewählt, was macht mich unzufrieden, erkenne ich Grenzen, was interessiert mich heute, würde mir ein Fach- oder Hochschulwechsel helfen, habe ich praktische Erfahrungen, wie mobil bin ich, wie viel Zeit will ich für einen beruflichen Neustart investieren und kann ich ihn finanzieren? Kurz: Ist der Frust über das Studium eine Laune oder ein generelles Problem?

Angst vor der Zukunft

Fest steht: Es ist keine Schande, ein Studium abzubrechen. Umfragen sprechen gegen die bekannten Klischees vom arbeits- und erfolglosen Studienabbrecher. Etwa drei Viertel aller Studienabbrecher gehen ein halbes Jahr nach Abbruch geregelter Beschäftigung nach. In manchen Bereichen (IT, Ingenieurwissenschaften) ist der Job häufig sogar Auslöser für den Abbruch, so eine Umfrage des Hochschul- Informations-Systems (HIS). Kurz: Ein Studienabbruch ist eine individuelle Entscheidung, die auf einer sicheren Grundlage gefällt werden sollte. Oft hilft hierbei eine kompetente Beratung von Berufsberater.

Eine Chance für jeden

Für jeden Abbrecher gibt es Möglichkeiten. Wer über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, kann sich für betriebliche Ausbildung, Berufsfachschule oder öffentlichen Dienst entscheiden. Mit mindestens dreijähriger anrechenbarer Beschäftigung (zum Beispiel Studiensemester, abgeschlossene oder nicht abgeschlossene Berufsausbildung, sozialversicherungspflichtige Tätigkeit, Zivil- oder Wehrdienst, Erziehungszeiten, ökologisches/soziales Jahr, Haushaltsführung in Mehrpersonenhaushalt) steht die Möglichkeit zu beruflicher Weiterbildung offen. Wer auf eine mehrjährige Berufspraxis mit abgeschlossener Ausbildung zurückgreifen kann, dem winken zudem berufliche Fortbildung, Umschulung oder Widereinstieg.

Erst planen, dann wechseln!

In jedem Fall sollte man sein Studium nicht aus einer Laune heraus beenden und sich eine Alternative für die Zeit danach bereits im Vorfeld überlegen, um nicht in ein schwarzes Loch zu fallen. Arbeitsämter bieten hier Schulungen an, auch Zeitarbeit kann eine Alternative für den Übergang sein. Manch größere Unternehmen haben sogar gerade an Studierenden mit punktueller Begabung (»Statistik liegt mir, aber mein Sozialwissenschaftsstudium möchte ich lieber abbrechen«) Interesse und eigene Ausbildungs- oder Integrationskonzepte und Programme für diese Gruppe entwickelt. Nicht zuletzt: Aufgeschoben ist nicht immer aufgehoben. Selbst Schlagersänger Julio Iglesias beendete sein 1968 abgebrochenes Jurastudium nach 33 Jahren im Alter von 57 Jahren. 

© Momo Evers - verfaßt für Westerwelle Consulting & Media 2001