Synchrone Ausbildung: Theorie und Praxis unter einen Hut gebracht

Nach dem Abitur stellt sich die Frage: Entscheide ich mich für ein Studium oder für eine Ausbildung? Bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Es ist möglich, beides zu kombinieren.

Die Qual der Wahl

Da steht man nun, hat das Abizeugnis in der Hand und die Zukunft vor sich und stellt sich die Frage: Welches ist mein nächster Schritt? Die große, weite Studienwelt? Das berühmt-berüchtigte Studentenleben erforschen und genießen und Akademiker werden? Oder lieber ein gesichertes Einkommen in einer Lehre, den festen Job vor Augen, und am Ende eine solide Ausbildung in der Hand haben - und dann vielleicht noch mal über ein Studium nachdenken? Die Wahrheit ist: Man ist nicht in jedem Fall gezwungen, sich festzulegen. Denn es gibt das Konzept der synchronen Ausbildung. Das bedeutet: Studieren parallel zum Job.

Von Beidem das Beste

Bettina Reis hat diesen Weg ihrem Anglistikstudium vorgezogen. »Ich habe schnell gemerkt, dass das Studieren an der Universität nichts für mich ist. Das war mir alles zu theoretisch. Ich wollte Praxiserfahrung ? und mein eigenes Geld verdienen«, so die 27-jährige. Sie entschied sich für die synchrone Ausbildung bei der Lufthansa und studiert nun an der Fachhochschule ? mit finanzieller Unterstützung ihres Arbeitgebers. Am Anfang war sie unsicher mit ihrer Entscheidung, doch rückwirkend ist sie überzeugt: »Ich habe das große Los gezogen. Der Job macht mir Spaß, ich bin finanziell unabhängig und letzten Endes auch nicht viel später mit meinem Studium fertig als manch anderer Student.« Parallel sammelt sie Berufserfahrung und weiß, welches im Studium erworbene Wissen ihr nutzt und welches nicht. So wird das Lernen konkreter, greifbarer, praxisorientierter.

Mehr Arbeit, weniger Sorgen

Natürlich ? mit links schafft man eine solche Doppelbelastung nicht. »Das Studieren parallel zum Job schafft natürlich ? oft kommt man nach Hause und fällt nur noch ins Bett«, so Reis. Die Ausbildung ist hart. Es hält nur durch, wer einen eisernen Willen hat. In den Semesterferien wird nicht selten durchgearbeitet. Nicht zu vergleichen also mit dem »normalen Studentenleben«. Doch der Erfolg ist den Absolventen gewiss: Die Chancen, nach der Ausbildung vom Betrieb übernommen zu werden und dort Karriere zu machen sind exzellent. Und auch, wenn man den Betrieb wechselt, ist ein Bewerber mit synchroner Ausbildung ein klassischer »High Potential« wie er im Buche steht: abgeschlossene Lehre, abgeschlossenes Studium, Berufserfahrung, in den meisten Fällen ein Auslandsaufenthalt ? und für gewöhnlich erst um die 25 Jahre alt. Eierlegende Wollmilchsäue? ? Es gibt sie doch.

Wie komme ich an einen solchen Platz?

Einen solchen Ausbildungsplatz zu ergattern erfordert nicht nur gute Abiturnoten ? auch Teamfähigkeit und eine leistungsstarke Persönlichkeit sind gefragt. Fakt ist auch: Für angehende Juristen oder Geistes- und Naturwissenschaftler etwa ist es schwierig bis unmöglich, ein Angebot einer Firma zu finden, dass auf ihren Studienwunsch zugeschnitten ist. Die meisten Angebote gibt es für angehende Informatiker oder Betriebswirte und Wirtschaftswissenschaftler. Die SAP System Integration AG zum Beispiel bietet das Programm »Internationale BWL im Praxisverbund« an. In viereinhalb Jahren erwirbt man hier drei Abschlüsse: den Diplom-Betriebswirt (FH), den Industriekaufmann und den Master of Science in Information Technology and Management (MSITM) beziehungsweise alternativ den Master of Business Administration (MBA). Acht Monate Arbeit im Unternehmen gehen der universitären Ausbildung voran. Und der MBA oder MSITM wird im Ausland erworben ? in North Carolina. Auch die meisten Banken bieten ihren Auszubildenden hervorragende Weiterbildungsmöglichkeiten. Oder aber: Bei großen Firmen gehören derartige Angebote fast schon zum guten Ton. Bei der eigenen Traumfirma nachzufragen, lohnt sich in jedem Fall.

Vorteile für beide Seiten

Dass Firmen bereit sind, das Studium ihrer Angestellten zu finanzieren, hat viele Gründe. Zwar können sich Personalchefs unter unzähligen Akademikern die Besten heraussuchen ? doch ein Arbeitnehmer, der im Unternehmen selbst groß wird, bleibt der Firma häufig treu und bringt das erworbene Wissen somit direkt wieder in die Firma ein. Bei einer Übernahme entfällt zudem die Einarbeitungszeit ? der frischgebackene Absolvent kennt die Firma bereits von der Pike auf. Für den Auszubildenden lohnt es sich allemal: Er erhält eine kompakte, praxisorientierte, zügige Ausbildung. lernt statt in überfüllten Hörsälen in kleinen, überschaubaren Gruppen und nach sechs bis acht Semestern hat er seinen Abschluss in der Tasche. Auch der Praxisschock und das Bewerbungsprozedere nach dem Studienabschluss bleiben aus. Dass die heutigen Abiturienten sich nach mehr Praxis in ihrem Studium sehnen, haben auch die Universitätsverantwortlichen mittlerweile erkannt ? nicht umsonst ist das Konzept von Bachelor- und Masterstudiengängen eine eng Zusammenarbeit mit Unternehmen. »Hätte es derlei Studienangebote zu meiner Zeit auch schon gegeben,« so Reiss, »hätte ich mich vermutlich gleich für einen Bachelorstudiengang entschieden.«

Linktext: Mögliche Betriebe, die synchrone Ausbildungen anbieten.
Link: http://www.focus.de/D/DB/DB34/db34.htm
Linktext: Einen Überblick über duale Ausbildungsmöglichkeiten bietet das Institut der
deutschen Wirtschaft in Köln.
Link: http://www.iwkoeln.de

© Momo Evers
- verfaßt für Westerwelle Consulting & Media 2001