Patrice Kindl: Anna in der Wand (dtv)

Anna ist schüchtern. Am liebsten mag sie mausgrau und Verstecke. Im Verstecken ist sie so gut, daß selbst ihre Schwestern und ihre Mutter sie oft nicht sehen. Selbst dann nicht, wenn Anna direkt neben ihnen steht. Schon Annas Vater war so - eines Tages war er einfach verschwunden, und niemand hat ihn jemals wieder gesehen. Anna ist ihre Unauffälligkeit nur recht. Und in die Schule möchte sie in keinem Fall.
Zum Glück ist Anna nicht nur schüchtern, sie ist auch sehr begabt. Im Haushalt repariert sie alles, sie kann nähen und kochen und backen. Kurz entschlossen versteckt sie sich vor der Schule und baut sich eine eigene Welt in der Wand. Nach und nach werden in alle Wände des Hauses Zwischenwände eingezogen. Geheime Eingänge ermöglichen nur Anna den Zutritt. Hier in der Wand lebt sie viele Jahre und repariert und näht für die ihrigen. Ihrer Familie scheint sie fast nur noch wie ein Geist.  Hat es Anna überhaupt jemals gegeben?

Doch eines Tages findet Anna eine Nachricht in den Ritzen des Gemäuers. “F” gesteht ihr ihre Liebe. Woher weiß “F” von ihr? Wer ist “F”? Und: War wirklich Anna mit der Liebeserklärung gemeint?  Langsam wagt sich Anna aus ihrem Versteck - hinein in ein neues, ein beängstigendes - vor allem aber ein aufregendes Leben.

Ein wunderbar phantasievolles, einfühlsames und humorvolles Buch über die Schüchternheit, die Wunder der Pubertät, Liebe und Mut - mit einer in ihrer Selbstlosigkeit und Unbedarftheit für das Leben unter Menschen durch und durch liebenswerten Protagonistin. 

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Patrice Kindl: Anna in der Wand. dtv junior extra 2000. 192 Seiten. 7,50 Euro (Taschenbuch)

Themen: Schüchternheit, Pubertät, erste Liebe

  Momo Evers am 05.05.2005 | |
Jugendbuch

Judith Clarke: Sternennächte (dtv)

Die Welt von Jess gerät aus den Fugen: Ihre geliebte Schwester Vida interessiert sich nur noch für Okkultismus und sonderbare Verhaltensregeln und spricht kaum mehr mit ihr. Ständig ist sie wütend und gereizt, und die jüngere Jess sorgt sich mehr und mehr um Vida, die immer dünner wird und keine Ruhe zu finden scheint. Jess ist allein - der Vater muß zur Arbeit und scheint mit der Situation überfordert; die Mutter liegt in ihrem Zimmer und hat sich in sich selbst zurückgezogen, spricht nicht mehr, mit niemandem. Seit die Familie fortzog von dem Haus am Meer, in dem sie glücklich waren, wird es immer schlimmer. Auch die Kartons ihres Bruders Clem sind bis zum heutigen Tag nicht ausgepackt.
Vida spricht von Geistern, doch Jess glaubt nicht, dass die Toten zurückkehren können - bis sich ein Mädchen zu manifestieren beginnt.  Kann sie das Schweigen brechen, das wie ein dunkler Schatten über der Familie liegt? Oder will sie noch mehr zerstören, Jess auch ihre Schwester nehmen?

Hilflosigkeit im Angesicht des Todes eines geliebten Menschen ist das zentrale Thema dieses gefühlvoll erzählten Jugendromans, den zu lesen auch Erwachsenen nahe geht.

Gut formuliert, eingängig zu lesen, bedrückend und düster, doch auch spannend bis zur letzten Seite und mit einem Schluß, der Mut macht, sich seinen Ängsten zu stellen - gemeinsam.

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Judith Clarke: Sternennächte. dtv/Reihe Hanser 2005. 191 Seiten. 7,50 Euro (Taschenbuch)

Themen: Umgang mit dem Tod einer nahe stehenden Person und die Hilflosigkeit, sich dieser unabdingbaren Tatsache zu stellen; Angst vor dem Loslassen und das Erkennen der Notwebdigkeit dessen

  Momo Evers am 03.05.2005 | |
Jugendbuch