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Sie sind selten, aber es gibt sie, jene Geschichten des Erstlings, der zum Bestseller wird. Audrey Niffeneggers “Frau des Zeitreisenden” ist so ein Buch.
Um ehrlich zu sein, ist mir dieses Buch eher “passiert”, als daß ich es absichtlich zur Kasse von Bücher Krüger in Dortmund getragen hätte. Eigentlich suchte ich nämlich ein Weihnachtsgeschenk für meine Mutter. Als ich durch den Buchladen stromerte, belauschte ich das Gespräch einer Buchhändlerin und einer Kundin, und weil ich selbst lange Jahre im Buchhandel gearbeitet habe, werde ich immer hellhörig, wenn aus der Stimme eines Buchändlers aufrichtige Begeisterung spricht. Und so nahm ich “Die Frau des Zeitreisenden” zur Hand, die ich unter normalen Umständen wohl keines Blickes gewürdigt hätte. Das Cover nämlich erinnert an ein seichtes Liebesgeschichtchen (vielleicht mit asiatischem Einschlag), und die auf der Rückseite zitierte Frauenzeitschrift, die das Buch als “romantischste Liebesgeschichte des Jahres” anpreist, macht es auch nicht besser. Ich kaufte es dennoch, und es kam nie bei meiner Mutter an, denn ich hatte zuvor den Fehler gemacht, hineinzulesen.
“Die Frau des Zeitreisenden” erzählt die Geschichte von Henry und Claire, die einander kennenlernen, als er 24 und sie 5 ist und heiraten, als er sich noch nicht daran erinnern kann, sie mit 24 als 5-jährige kennengelernt zu haben. Henry leidet unter dem Chrono-Syndrom; seine Zeitreisen kann er nicht planen, sie “geschehen” ihm eher, und es gelingt ihm kaum jemals, sie zu verhindern. Claire, die ihn von Kindesbeinen an kennt und lieben gelernt hat, wartet auf ihn, immer und immer wieder, und er kehrt zu ihr, dem einzigen menschlichen Anker seines Lebens, immer wieder zurück.
Doch die Liebesgeschichte - obgleich eingängig erzählt und liebevoll gezeichnet - ist es nicht, was dieses Buch zu einem der besten Bücher macht, die mir in den letzten Jahren untergekommen sind. “Die Frau des Zeitreisenden” ist weit mehr als eine Liebesgeschichte, sie ist - obschon sie das Element der Zeitreise nutzt - weder Science Fiction noch Fantasy, und obwohl es Niffenegger gelingt, trotz der vielschichtigen Erzählstränge (oder richtiger: durch sie) einen mehr als fesselnden Spannungsbogen aufzubauen, ist das Buch kein Krimi. Es ist einfach nur ein erschreckend guter Roman - erschreckend deshalb, weil es eines dieser Bücher ist, bei dem man sich fragt, warum es nicht schon viel früher geschrieben wurde. Niffeneggers Umsetzung des Zeitreise-Motivs, die Frage, die sie ins Zentrum ihrer Erzählung stellt, ist so einfach wie genial - und trägt das Buch nicht nur, sondern verleiht der Erzählung Flügel.
“Die Frau des Zeitreisenden” ist ein besonderes Buch, spannend, traurig, düster - vor allem aber ist es Niffenegger gelungen, eine Erzählung zu schaffen, in die man sich als Leser vertrauensvoll fallen lassen kann. Keinen der Fäden, den sie spinnt, verliert sie oder löst ihn nicht auf. Das Buch ist brillant konzeptioniert, was bei den vielen Erzählsträngen alles andere als selbstverständlich ist. Den dunklen Schatten, der über der Liebesgeschichte liegt, ahnt der Leser früh (und die Protagonisten mit ihm), und doch löst sich das Rätsel um jene Sommernacht, in der Claire als junges Mädchen mit dem Gefühl erwacht, etwas Schreckliches sei geschehen, ohne es zuordnen zu können, erst ganz zum Schluß - entsetzt und überzeugt gleichermaßen und schafft es ganz nebenbei, zu Tränen zu rühren, die man gern vergießt.
Auch Audrey Niffeneggers Seite ist einen Besuch wert.
Da nimmt es nicht Wunder, daß Brad Pitt und Jennifer Aniston sich bereits die Filmrechte haben sichern lassen.
Kurz und knapp: Hut ab, Frau Niffengger!
Und an alle Leser eine Empfehlung von Herzen: Kaufen, sich ein langes Wochenende reservieren, lesen! Und lassen sie sich nicht von dem Cover abschrecken: Es täuscht. “Die Frau des Zeitreisenden” ist viel mehr als eine romantische Liebesgeschichte. Vor allem nämlich ist sie eines: Ein packender, bis zur letzten Seite fesselnder, wirklich guter Roman - in dessen Genuß anbei auch meine Mutter noch kommen wird; nächstes Weihnachten ;-)
Audrey Niffenegger: Die Frau des Zeitreisenden. Fischer 2005. 543 Seiten. 9,95 Euro (Softcover)
Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit.
Thema: Liebe, Leben, Tod, Zeitreise und noch viel mehr
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