Die Krux der Anglizismen

verfaßt für Westerwelle Consulting & Media 2001

Die Krux der Anglizismen
oder
Warum wir nicht nur die deutsche sondern auch die englische Sprache verhunzen

Sie und ich, wir haben etwas gemeinsam: Wir sind der deutschen Sprache mächtig.

Dennoch sprechen wir von Key Account Managern, von Corporate Identity oder Firmen-Wording. Daß die deutsche Geschäftswelt mit Anglizismen nur so um sich wirft und ein Blick in die Stellenangebote der F.A.Z. einen nicht der englischen Sprache mächtigen Leser zur Verzweiflung bringt, ist nichts Neues. Schon unzählige Male wurde die Verarmung der deutschen Sprache oder der Ausgrenzungsaspekt der nicht englisch sprechenden Bevölkerung von unterschiedlichster Stelle angeprangert. Ohne sichtbaren Erfolg. Das Ortsgespräch heißt noch immer CityCall und der Fahrkartenautomat TicketCounter. Daß englische Worte sich in unseren Wortschatz mischen ist ? beklagenswert oder nicht ? weder rückgängig zu machen noch zu leugnen.

Anglizismen in der deutschen Sprache - den Sprachliebhaber begeistern sie selten, doch er hat mit ihnen zu leben gelernt.
Doch nicht genug damit, daß wir die deutsche Sprache vergewaltigen, wir verhunzen die englische gleich mit.
Und an dieser Stelle ist das Maß voll; die Sprachwissenschaftlerin wird zur Furie.

Wer, so frage ich mich, hat uns die diebische Freude an der deutschen Konjugation englischer Verben eingegeben? Hemmungslos und ohne mit der Wimper zu zucken wird tagtäglich gedownloaded, gebookmarkt, deleted.
Das Handy nennt der Amerikaner mobile phone ? wenn wir schon ein neues Wort erfinden, warum dann nicht ein Deutsches? Der Dressman ist eine deutsche Wortneuschöpfung für das male model, der Showmaster eine solche für den entertainer, der Evergreen ist in England ein golden oldie; auch Pullunder oder Allround-Talente gibt es nicht in der Welt der englischen Muttersprachler.
Und nicht zuletzt: Auch das Happy End ist eine Verunglimpfung der englischen Sprache. Dort heißt es nämlich happy ending. Wobei uns diesen Lapsus bemerkenswerter Weise kein Geringerer als Kurt Tucholsky bescherte, der in “Danach” dichtete:
“Die Ehe war zum jrößten Teile
vabrühte Milch und Langeweile.
Und darum wird beim happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.”
? Recht hat er.
Falsch ist es trotzdem.
Aber was tut man nicht alles für einen guten Reim.

Ohne Grund und Not allerdings sprach sich jüngst Wolfgang Zocher, Vorsitzender des Bundesverbandes deutscher Bestatter, für folgende sprachliche Neuregelung aus: Der Ausbildungsberuf des Bestatters in Deutschland solle umbenannt werden in »funeral master«, der deutsche Sarg solle lieber »peace box« heißen und die jährliche deutsche Bestattermesse fortan den klangvollen Namen »eternity« tragen. Seien wir ehrlich: Irgendwann ist das Maß voll.
Auch die Werbung erdreistet sich nicht, englische Wortneuschöpfungen wie Megaperls zu kreieren, um sie dann im Fernsehen in breitester Mundart mit Megapääärls zu bewerben.

Es ist schade und überaus bedauernswert, daß die deutsche Sprache ? die eine lebende Sprache mit einer nunmehr über 1500 Jahre alten Geschichte ist ? sich nicht den Herausforderungen der Neuzeit stellt. Daß Diskette, Festplatte und Tastatur einige der wenigen Computerbegrifflichkeiten sind, die nicht kommentar- und phantasielos aus dem Englischen (oder besser: Amerikanischen) übernommen wurden. Und es ist auch erstaunlich bis unverständlich, daß jenen, die solches beklagen, nicht selten Deutschtümelei und Hinterwäldlerei unterstellt wird. Aber nun gut ? mit der Erhaltung des »Deutschtums« in jedweder Form haben wir Deutschen nun einmal ein Problem - manchmal zurecht. Das Autonome Kulturzentrum, ein bekanntes Weimarer Veranstaltungshaus, beispielsweise, liegt unweit des ehemaligen KZs Birkenau. Über dem Eingang ist zu lesen »A-CC« ? Autonomes Culture Center.
? Grauenhaft. Ja.
Aber daß man sich dagegen entschied, die Abkürzung A-KZ zu wählen? ? Sehr verständlich.
Man will und muß nicht alles übersetzen. Eine Sprache wächst organisch, und wo ein englisches Wort einmal eingeführt ist, kann und sollte man es nicht künstlich durch ein deutsches ersetzen wollen. Selbst die Nazis ? sonst bekanntermaßen ekelerregend rigoros in ihren Vorgehensweisen ? scheiterten ihrerzeit an ihrem Projekt »Reinheit der deutschen Sprache«. So sollte das Wort Pullover durch den Begriff »Schwubber« ersetzt werden und das Automobil »Selbster« heißen. Nicht einmal das Parteiorgan »Der Stürmer« hielt diese Bezeichnungen durch. Fast möchte man ihm dankbar sein.

Auch eine aktuelle Werbekampagne des Kinobetriebs Cinemaxx für englischsprachige Filme macht uns ohne Zweifel klar, daß nicht alles, was im Original Englisch ist, wirklich Deutsch werden muß. Wer von uns hätte sich gern Filme mit dem klingenden Namen »12 Affen« oder »Befreit Wilhelm!« angeschaut?

Komplett unverständlich hingegen ist wiederum die systematische Ausrottung des schönen Buchstabens »z« durch die deutsche Anglizistenfront. Die Stadtbehörden haben Deutschland mittlerweile nahezu flächendeckend mit »Stadt Centern« und dem schönen Begriff »City Centrum« geflutet. Kaum etwas schult das Sprachempfinden mehr als tagtägliche Konfrontation mit falscher Rechtschreibung ? deutscher wie auch englischer. Ein geradezu kongenialer Schachzug der Beamten! Daß der Zirkus immer häufiger zum Cirkus wird, ist man darüber fast noch zu entschuldigen bereit ...

Das Fazit? - Entweder richtiges Deutsch oder richtiges Englisch.
Sie werden sehen: Es geht! Denn Sie und ich, wir haben etwas gemeinsam: Wir sind der deutschen Sprache mächtig ...

© Momo Evers