David Nicholls: Keine weiteren Fragen (Kein & Aber)

Die Schweizer von Kein & Aber sind ein noch recht junges Verlagshaus, dem mit seinem Programm vorab ein generelles Lob gebührt.

Der Klappentext von Nicholls optisch ansprechend gestaltetem Buch ist zitierenswert und zugleich ein Auszug aus dem Erzähltext:
“Bei verschiedenen Gelegenheiten in meinem Leben habe ich mich gefragt, ob ich ein Grufti, schwul, jüdisch, katholisch oder manisch-depressiv sein könnte, ob ich vielleicht adoptiert wurde oder ein Loch in der Herzwand habe oder die Fähigkeit, allein durch Willenskraft Gegenstände zu bewegen. Jedes Mal mußte ich zu meinem großen Bedauern konstatieren, nichts von alledem zu sein.”

Brian Jackson, liebenswert normal, Akne-geplagt und gleichermaßen voller Selbstzweifel und gutmütiger Selbstironie, verbringt sein erstes Jahr an der Universität.
Seine Ziele: Keine Vorlesung verpassen, sich für die University Challenge (ein Ratequiz, das im Fernsehen ausgestrahlt wird) zu qualifizieren und zu gewinnen - und sein Liebesleben auf Trab zu bringen.

All das gestaltet sich schwieriger, als Brian zunächst vermutet hat. Obschon er sein Bett zu einem Futon umgestaltet (indem er verwegen die Matratze auf den Boden legt), er in bierbesudeltem Kopf eine Michael Jackson-reife Tanzleistung auf das Parkett zu legen versucht (und sich dabei gnadenlos blamiert) und das schönste Mädchen der Universität (Alice, die ohne Frage aussieht wie eine blonde Kate Bush, leider aber mehr Verehrer als Brian Aknenarben hat) ihn zwar zu mögen scheint und in seinem Bett schlafen, dann aber doch den zweitklassigen Schauspieler aus dem Kleiderschrank läßt, will es einfach nicht so richtig etwas werden mit Liebe und Erfolg. Ganz zu schweigen davon, daß viele der wohldurchdachten Selbstinszenierungen in der Praxis dann doch nicht die erhoffte Wirkung zeigen. 
Und so lawiert Brian sich mit herzerfrischender Eigenartigkeit - im buchstäblichen Wortsinn - von Katastrophe zu Katastrophe und gewinnt schließlich doch das Herz des Mädchens, das zumindest der Leser in ihrer burschikosen Bärbeißigkeit von Anfang an zu seinem Favoriten gekürt hat.

“Keine weiteren Fragen” ist ein Buch für Kinder der 80er Jahre - wer damals jung war, sieht seine Jugend vor sich ausgebreitet, und zwar in einer klaren, pointierten Sprache und mit anrührendem Humor. Daß aus den Gedanken des jugendlichen Protagonisten ohne Frage die Abgeklärtheit des Autors spricht, für den alle Unwägbarkeiten des Erwachsenwerdens schon Jahrzehnte zurückliegen, schmälert das Lesevergnügen nicht.

Ein herrliches Buch für eine lange Zugfahrt oder einen Tag am Strand und unbenommen hervorragende Unterhaltungslektüre.

David Nicholls wurde 1966 geboren, lebt in London und “Keine weiteren Fragen” ist sein erstes Buch. Tom Hanks sicherte sich bereits die Filmrechte.

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David Nicholls: Keine weiteren Fragen. Kein & Aber 2005. 484 Seiten. 22,80 Euro (Hardcover)
Aus dem Englischen von Ruth Keen.

Thema: Erwachsenwerden, Anerkennung, seinen Platz im Leben finden, Studium, Selbstfindung, Selbstdarstellung, Frauen und Männer und die erste große Liebe

Momo Evers am 16.02.2006 um 19:20 Uhr
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