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Rein äußerlich ist »Coriander« ein herausragend schöner Titel. Die Covergestaltung ist sowohl optisch als auch haptisch rundum gelungen und lädt gleich zum Kauf ein, stimuliert dazu, das Buch in der Hand zu halten und darüber zu streichen.
Die Geschichte selbst zeichnen die Jugendbuchmacher von Bertelsmann mit einem »ab 10 Jahren« Stempel aus. Erzählt wird das Leben des Mädchens Coriander, die an den Ufern der Themse aufwächst, deren Mutter eine Fee und deren Vater ein Mensch ist. In sieben Nächten, im Lichtschein von sieben Kerzen, erzählt Coriander in sieben Kapiteln von ihrer glücklichen Kindheit, von den silbernen Schuhen, von ihrem ersten Besuch in der Anderswelt, in der sie die böse Fee Rosmore und ihren Raben kennenlernt. Vom Tod ihrer Mutter, vom Zerfall ihrer Familie, von dem Grauen, das Oliver Cromwells Herrschaft über England bringt. Von der Verlogenheit der Puritaner, von dem Feenschatten ihrer Mutter, mit dem Coriander die Feenwelt heilen und die Liebe ihres Lebens retten kann. Von ihrer unglaublich bösen und ungerechten Stiefmutter und ihrer vom Leben gezeichneten Stiefschwester, die schließlich doch ihr Glück findet. Vom Hin- und Hergerissen sein zwischen Verantwortung und Angst, zwischen Diesseits und Feenwelt.
All das sind schöne Elemente, dennoch überzeugt das Buch letzten Endes nicht. Schuld daran ist Gardners Sprache. Die Erzählung holpert, ist oft zu flach, reißt Stimmungen nur an und ist schon wieder bei einem neuen Gefühlsaspekt und hat den Leser abgehängt. Die Protagonistin Coriander schreibt zwar aus der Retrospektive, aber ihre Figur wirkt nicht rund, bleibt in der Charakterzeichnung unentschlossen, skizzenhaft und nicht greifbar, ihr Schicksal rührt nicht das Herz, obschon ihre Geschichte die besten Voraussetzungen dazu bietet.
So heißt es etwa (auf Seite Seite 262):
»Die silbernen Schuhe unter meinem Wams drückten an meine Brust, ich hörte die süße Stimme meiner Mutter rufen, und da wurde mir klar, dass ich zurückkehren und meinen Vater suchen musste. Schon um meiner Mutter willen musste ich mein kindliches Verlangen unterdrücken, Ihretwegen musste ich eine Frau werden und meine Aufgaben im Leben annehmen.
?Ist es nicht schon sehr viel, dass wir uns getroffen und ineinander verliebt haben??
?Nein?, erwiderte Tycho. ?Ich spüre genau, dass ich nur mit dir vollständig bin. Ohne dich ist der kleine Junge in mir für immer verloren.?
?Ich muss zurückkehren?, sagte ich.
?Das weiß ich?, antwortete er seufzend, gab mir einen letzten Kuss und stieg auf seinen Schimmel, um in den Wald zu reiten.«
Eine Frau werden und meine Aufgaben im Leben annehmen? Der kleine Junge in mir ist für immer verloren? Sind das Bilder für Leser ab 10? Wohl eher nicht. Ebenso wenig wie viele weitere Aspekte der Geschichte.
Dass der Verlag sich für eine Einstufung ab 10 entschied, liegt gewiss an der sehr einfachen, kurz-satzigen Sprache Gardners. Vielleicht auch an deren unbedarfter Übersetzung, aber um dies beurteilen zu können, müsste man das englische Original zum Vergleich hinzuziehen.
Fazit: Eine hübsche Idee, stimmungsvolle Elemente, ansprechende Figurenideen ? leider aber eine Autorin, der es nicht gelungen ist, ihren Bildern wirklich Leben einzuhauchen.
Sally Gardner stammt aus London und litt unter Dyslexie (Buchstabenblindheit). Ihr Umfeld hielt sie fälschlich für lernbehindert, weshalb sie Lesen und Schreiben erst mit 14 Jahren lernte. Sie studierte an der Kunstakademie und arbeitete als Illustratorin. »Ich, Coriander« ist ihr erster Roman
(zu sehen ist das Cover des englischen Buches von Orion Children’s Books, London)
Sally Gardner: Ich, Coriander. cbj 2006. 320 Seiten. 12,90 Euro (Hardcover)
Aus dem Englischen von Anne Braun.
Thema: Familie, Märchen, Historisches England (17. Jhdt)
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