Willkommen | Referenzen | Newsletter | Profil | Preise | AGB | Kontakt
Tilly ist 15 Jahre alt. Sie hatte mal eine Mutter, die besonders war, die Größte auf dem Markt, wo sie Puppen verkaufte. Eine Mutter, die auf einem Motorrad zur Schule kam, um ihre Tochter abzuholen. Eine laute, eine starke Mutter. Doch diese Mutter ist fort. Diese Mutter ist gestorben. Tillys Vater ist ihr fremd geworden, und ihre Großmutter, die Tilly liebt, kann ihr nicht nahe sein, ist stets um Haltung bemüht und lebt nur in ihren (durch und durch perfekten) Erinnerungen an ihren verstorbenen Mann. Tillys Freundin Mercy (schön, reich und glücklich) hat Tilly den Rücken zugewandt und hält sie für verrückt. Alles, was Tilly geblieben ist, ist eine Puppe aus den Kleidungsstücken ihrer Mutter. Eine Puppe, die sie zu falschen Entschlüssen treibt. Die sie wahnsinnig macht. Wie ihr ganzes Leben, das sie fortzureißen droht in einem Strudel aus Vorwürfen, Lüge und Verdrängung.
Jan ist 15, und er hat eine Mutter, die ihn liebt. Und eine zweite, die ihn fortgegeben hat. Jan ist adoptiert. Und alles, was ihn an seine leibliche Mutter erinnert, ist eine kleine Puppe, ohne Arme, zu schwach, um jemanden darin zu halten.
Jan und Tilly balancieren auf einem schmalen Grad. Eine Eisenbahnbrücke ist für beide der Ort, an den sie sich zurückziehen. Ein Ort, an dem man sterben könnte. Oder sich für das Leben entscheidet.
Jan sieht Tilly, und er weiß, daß sie einen Schritt weiter ist als er. Noch einen Schritt verzweifelter, wütender.
Er verliebt sich in sie. Doch er verliebt sich auch in Mercy, bewundert sie aus den gleichen Gründen, aus denen Tilly sie liebte. Denn Mercy ist frei. Jan und Tilly aber sind es nicht.
Und obschon sie nie wirklich miteinander gesprochen haben, helfen sich Jan und Tilly gegenseitig, aus dem Gefängnis ihrer eigenen Lügen auszubrechen und einen ersten Schritt in eine neue Richtung zu wagen: Liebe und Vertrauen in einen anderen Menschen aufzubauen, der sie um ihrer selbst Willen liebt und ihnen so den Mut gibt, für sich selbst stark zu sein.
Die Britin Nicky Singer legt mit Auf einem schmalen Grat ihren zweiten Jugendroman (nach Norbert Nobody; auch dtv) vor. Obschon das Buch ergreifende Passagen hat, zu fesseln vermag und die dunkle Wut der Protagonistin Tilly sehr nah und mitreißend, fast schon beunruhigend geschildert wird, überzeugt die Geschichte nicht vollständig. Am Ende geht alles einfach zu schnell. Was langsam aufgebaut wurde, löst sich zu leicht. Und vieles fügt sich so märchenhaft, daß es unglaubwürdig wirkt und nicht zum ansonsten realistischen Grundtenor der Erzählung passen will. Fast wirkt es, als hätte der Autorin auf den letzten 30 Seiten ein kleines Männchen im Ohr gesessen und geflüstert: “Wir brauchen ein Happy ending. Und zwar schnell.” Dieses glückliche Ende auf kleinstem Raum umzusetzen, ist Nicky Singer gelungen. Leider hängt sie den Leser dabei emotional ab.
Und so ist aus Auf einem schmalen Grat ein Buch geworden, das gelesen zu haben man nicht bereut, dem für eine Weiterempfehlung von Herzen aber 30 bis 40 Seiten mehr gefehlt hätten, um den Plot zu einem runden, stimmigen Ende zu bringen.
Nicky Singer: Auf einem schmalen Grat. dtv extra 2005. 189 Seiten. 7,50 Euro (Taschenbuch)
Thema: Alkoholismus, Adoption, Angst vor Verlust, Verdrängung, sich den eigenen Ängsten stellen
Aktuelle Einträge
Von Phantastik und Geistern
Die Helden der unsichtbaren Stadt - Ein Abwasserunternehmen stellt sich vor
PAN und Droemer - neue Titel aus dem Haus der Sprache
Stephen King - neu bearbeitet in 16 Bänden
PAN - Die geheime Sammlung und viele phantastische All-Age-Titel mehr
Kategorien:
Archiv