Promovieren oder nicht: Was bringt der Doktorhut?

Diese Frage stellen sich viele Akademiker. Fest steht: Man sollte sich gut überlegen, ob man die langwierige Forschungsarbeit auf sich nehmen möchte ? und welches Ziel man mit seiner Promotion verfolgt.

Ein paar Worte zur Statistik

Promovieren oder nicht? Die Antwort auf diese Frage ist nicht leicht zu geben ? und eine allgemein gültige Antwort erst recht nicht. Rund 60.000 Doktoranden gibt es derzeit in Deutschland. Von ihnen, so schätzen die Experten, wird lediglich jeder zweite sein Ziel erreichen. Die meisten Promovierenden benötigen länger als geplant für ihr Vorhaben ? zwei bis fünf Jahre brüten sie über ihren Ausarbeitungen. Dies gilt für Stipendiaten und sich selbst finanzierende Doktoranden gleichermaßen, so der Absolventenreport »Magister« (HIS 1995). Das Alter der frischgebackenen Doktoren liegt dann häufig bei über 30. Auf den ersten Blick recht hoch für einen Berufseinstieg also ? zumindest dann, wenn man nicht in Forschung und Lehre sondern in der freien Wirtschaft arbeiten möchte.

Dr.soz.päd ist nicht gleich Dr.phil.

Außerhalb der Universitäten wiegt ein Doktortitel unterschiedlich schwer. Mehr als 40 verschiedene Titel für Doktoren gibt es derzeit in Deutschland. Und manche lassen die Augen der Personalverantwortlichen leuchten, andere hingegen provozieren höchstens ein mildes Lächeln. Soziologen, Wirtschaftswissenschaftler, Elektrotechniker ? und selbst die zu den Geisteswissenschaftlern zählenden Politologen profitieren finanziell und stellentechnisch von ihrem Titel. Mathematiker, Biologen und vor allem Germanisten hingegen haben es vergleichsweise schwer beim Berufseinstieg ? daran ändert auch der Doktortitel nur wenig.

Der Titel und die Lohnabrechnung

Und wie steht es mit den Auswirkungen auf das Gehalt? In einer jüngst veröffentlichten Studie fanden Jürgen Enders und Lutz Bornmann von der Kasseler Universität heraus, daß 70 % der 4000 befragten Doktoren hoch qualifizierte und gut bezahlte Jobs innehaben und mit ihrer Arbeitssituation zufrieden sind. Vor allem Sozialwissenschaftler haben Glück: Das Einkommen der Doktoren unter ihnen liegt 15 Jahre nach ihrer Promotion gut 40 Prozent höher als bei ihren Diplomkollegen. Wirtschaftswissenschaftler führen hier mit 11.810 Mark Nettoeinkommen die Verdienstliste an, gefolgt von Elektroingenieuren (8.250 Mark) sowie Soziologen und Politologen (durchschnittlich 6.600 Mark). Einmal im Job fördert der Doktortitel zudem noch die Aufstiegschancen innerhalb des Unternehmens. Eine Studie der Personalberaterfirma Heidrick & Struggles fand heraus, daß ein Großteil der Topmanager über den Doktortitel verfügt.

Soft Skills allein machen noch keinen High Potential

Nicht zuletzt: Ein Doktortitel zeugt auch von fachlicher Kompetenz. Trotz der immer vehementer gepriesenen Soft Skills stellt auch fundiertes Wissen ein wichtiges Einstellungskriterium dar, so die Münchener Berufsberaterin Astrid Keller. Bei Banken oder in der Werbebranche können junge Doktoren zwar in der Regel nicht mit einem Vorteil durch ihren Titel rechnen. Bei Chemikern oder Humanmedizinern hingegen gehört das Promotionskürzel praktisch zum guten Ton. Entscheidend für den Nutzen der Promotion ist aber, so Keller, nicht nur der Titel selbst, sondern auch Anfertigungsdauer und Thema der Doktorarbeit. In der freien Wirtschaft gilt auch hier: Je praxisorientierter, desto besser für die Bewerbung.

Der lange Weg zur Promotion

Doch Obacht! Der Weg bis zum Doktorhut ist lang und steinig. Und finanziell in den meisten Fällen eine Durststrecke. Zwar gibt es die Möglichkeit, sich für Stipendien zu bewerben. Doch ein Doktorand muß sparsam wirtschaften, während gleichaltrige ehemalige Mitstudenten schon längst verdienen. Wer sich zu einer Promotion entschließt, sollte demnach im Vorfeld mit sich ins Gericht gehen. Was ist der Grund für die Promotion und reicht dieser Grund auch als Motivation in schwierigen Zeiten? Wie viel Zeit kann und will ich in meine Doktorarbeit investieren und wie finanziere ich mein Vorhaben? Passt das Dissertationsvorhaben in meine Lebensplanung und ist es für den von mir angestrebten beruflichen Werdegang überhaupt sinnvoll? Diese Fragen sollten vor Beginn der Promotion mit Freunden, Studienberatern und Berufsberatern geklärt werden. Wichtig ist auch, daß man sich in seinem Fachbereich wohl fühlt und tatsächliches Interesse für das gewählte Forschungsvorhaben aufbringen kann. Karrieredenken allein reicht als Motivationsfaktor nicht aus, so der österreichische Geschichtspromovent Bernhard Berger.

Viele Wege führen zum Traumjob

Das Fazit der Kasseler Studie: »Wer promoviert hat, macht nicht unbedingt Karriere. Aber er macht häufiger Karriere.« Allerdings: die Doktorarbeit muß zeitlich nicht zwingend vor dem Berufseinstieg liegen. Eine Promotion parallel zum Job ist anstrengend, aber durchaus bei den richtigen Themen und Fächern machbar. Auch fördern manche Firmen (wie Unternehmensberatungen) die Promotionsambitionen ihrer Mitarbeiter und stellen sie für eine gewisse Zeit frei. Und wem es nur um den Titel selbst geht, der kann zumindest in Erwägung ziehen, einen Titel käuflich zu erwerben In den USA zum Beispiel gibt es den Doctor of Spiritual Healing (Geistlche Heilkunde) schon für 250 Dollar ? notarisierte und eingerahmte Urkunde und deutsche Übersetzung inklusive. Den zukünftigen Chef kann man damit nicht beeindrucken ? aber vielleicht die zukünftigen Schwiegereltern. Netzwerk für Promovierende und Promovierte Link: http://www.thesis.de

© Momo Evers - verfaßt für Westerwelle Consulting & Media 2001